AGIL um jeden Preis?

17.08.2017 06:59
#1
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Ich beschäftige mich schon lange mit Prozessoptimierung, und darüber bin ich das erste Mal auch auf die AGILEN Methoden gestoßen.
In meinen Versuchen, Arbeitsabläufe zu verbessern, stehe ich häufig vor dem Problem, dass der Aufwand, die Mitarbeiter und deren Gewohnheiten bzw die täglichen Abläufe einer Firma auf eine effektivere Methode umzustellen, um einiges größer ist, als das Plus, dass durch diese Methode zu erwarten ist.
Kennt jemand dieses Problem? Wie begegnet ihr solchen Situationen?

Tue Gutes und rede darüber!

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17.08.2017 16:41
avatar  Steffen
#2
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Hallo Tachon32!
Kennst Du John Kotter mit seinen 8 Schritten für Change Management (https://www.kotterinternational.com)?
1. CREATE A SENSE OF URGENCY
2. BUILD A GUIDING COALITION
3. FORM A STRATEGIC VISION AND INITIATIVES
4. ENLIST A VOLUNTEER ARMY
5. ENABLE ACTION BY REMOVING BARRIERS
6. GENERATE SHORT-TERM WINS
7. SUSTAIN ACCELERATION
8. INSTITUTE CHANGE

Evtl. kann das helfen


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18.08.2017 17:38
#3
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klingt interessant, danke Steffen.
Nein, die kannte ich noch nicht... werd ich auf jeden Fall in meinen Alltag einbauen können.

Ich könnte mir vorstellen, das Problem, das ich versucht habe, in meinem Beitrag oben anzureißen, ist in den 8 von dir genannten Schritten schon bei 1. Ich habe häufig mit Mitarbeitern zu tun, die keinen Mehrwert und vor allem keinen Sinn darin sehen, von ihrer Arbeitsweise abzuweichen. Oftmals würde ich dann gern sagen "ich kann hier nicht helfen, hier ist die Umstrukurtierung nicht gewünscht". In anderen Fällen konnten wir zusammen eine Änderung beiführen, aber nach einem halben Jahr erreichte mich eine Email einer Mitarbeiterin, dass alles wieder beim Alten wäre. Und in solchen Momenten frage ich mich oft, ob das Einführen moderner - in unserem Fall - AGILer Methoden wirklich immer angebracht ist.

Tue Gutes und rede darüber!

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23.08.2017 09:28
avatar  Nina
#4
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Ich kann Tachon32 hierbei schon auch zustimmen. Wie bei so vielen Dingen, ist es in der Theorie viel leichter, als es sich dann im realen Arbeitsalltag zeigt. Über die Jahre habe ich schon so viele Methoden kommen und wieder gehen sehen, dass es anfangs auch mir sehr schwer gefallen war, die Agile Methode überhaupt ernst zu nehmen. Dennoch bin ich mittlerweile überzeugt davon, dass wir Vorteile erzielen, wenn wir sie richtig und auch an den richtigen Stellen anwenden. Hierfür ist aber eben auch ein wenig Geduld gefragt, ebenso wie die richtigen Personen auf den richtigen Positionen.
Leider sind wir ja immer ganz schnell dabei, eine Methode als nicht wirksam zu bezeichen, nur weil wir nicht fähig sind, diese konsequent und mit Verstand einzusetzen.

Die Nina
Admin - DasAgileForum
Agile Coach
Projektmanagerin

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23.08.2017 15:18
#5
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Bei uns im Unternehmen ist es auch nicht anders. Wir hatten schon viele Methoden versucht und sind daran gescheitert. Agile funktioniert, aber auch nur dann wenn alle, wirklich alle an einem Strang ziehen, sobald eine Person (am besten noch aus dem Management) aus der Reihe tanzt ist es vorbei. Das gilt natürlich auch für alle anderen Methoden, denke ich aber bei uns war es nunmal Agile.
Neben dem Unternehmensweiten einheitlichen Committment ist natürlich auch der ständige Austausch extrem wichtig und man sollte möglichst nichts schleifen lassen.


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25.08.2017 06:02
#6
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Zitat von Nina im Beitrag #4
Über die Jahre habe ich schon so viele Methoden kommen und wieder gehen sehen, dass es anfangs auch mir sehr schwer gefallen war, die Agile Methode überhaupt ernst zu nehmen.


Danke dass du das geschrieben hast, Nina, den Gedanken hatte ich auch bei meinen ersten Berührungspunkten mit der Idee, aber ich hätt mich das nie getraut hier in dem Rahmen so zu zu geben :-)

Zitat von Kay_Hachmann im Beitrag #5
sobald eine Person (am besten noch aus dem Management) aus der Reihe tanzt ist es vorbei


wohl wahr, Kay, das erlebe ich auch leider viel zu oft.

Gibt es eigentlich hier in der Runde Erfahrungswerte, in wie weit agile Methoden auch modular wirksam sind? Auf der einen Seite scheue ich mich immer ein wenig, aus bestehenden Konzepten mir quasi "die Rosinen rauszupicken", auf der anderen Seite denk ich mir dann oft " nur weil an einer Stelle ich auf Hindernisse stoße, reicht das schon, um alles andere Gute über Bord zu werfen?"

Tue Gutes und rede darüber!

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25.08.2017 09:36
avatar  Nina
#7
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Diesbezüglich bin ich auch immer etwas hin- und hergerissen. Einerseits denke ich, dass die Rollen und Regeln der agilen Methode alle ihre Begründung haben und daher auch eingehalten werden sollten. Meist merken wir doch auch recht schnell, welche Auswirkungen es haben kann, wenn wir z. B. ein und dieselbe Person als Product Owner UND Teammitglied einsetzen, kein Daily abhalten oder uns keine Zeit fürs Backlog nehmen. Fazit: der Erfolg und die Effizienz sind nicht, wie erwartet.

Und wem gibt man dann die Schuld? Der Methode!
"Wir haben doch gleich gesagt, dass das alles nix bringt"

Andererseits bin ich absolut bereit, gewissen Dinge auf die Gegebenheiten des Unternehmens und der Situation anzupassen. Beispielsweise zu vereinbaren, nur jeden zweiten Tag ein Daily abzuhalten. Eine gewisse Form von Scrum-But sollte also immer möglich sein.

Viel wichtiger ist es wahrscheinlich, die Methode an der richtigen Stelle einzusetzen und nun nicht pauschal alle Bereiche mit Agile zu überrollen. Bewusst und sinnvoll einsetzen.

Die Nina
Admin - DasAgileForum
Agile Coach
Projektmanagerin

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26.08.2017 08:45
#8
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Zitat von Nina im Beitrag #7
Viel wichtiger ist es wahrscheinlich, die Methode an der richtigen Stelle einzusetzen und nun nicht pauschal alle Bereiche mit Agile zu überrollen.


Du sprichst mir aus der Seele, darum gings mir so ein wenig, als ich das Thema angefangen hab.

Und danke für die gute Idee mit "Daily jeden zweiten Tag", das stell ich mir als einen guten Workaround vor, ohne die Wirksamkeit des Moduls komplett zu unterbinden

Tue Gutes und rede darüber!

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29.08.2017 11:24
#9
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Zitat von Tachon32 im Beitrag #6
Gibt es eigentlich hier in der Runde Erfahrungswerte, in wie weit agile Methoden auch modular wirksam sind? Auf der einen Seite scheue ich mich immer ein wenig, aus bestehenden Konzepten mir quasi "die Rosinen rauszupicken", auf der anderen Seite denk ich mir dann oft " nur weil an einer Stelle ich auf Hindernisse stoße, reicht das schon, um alles andere Gute über Bord zu werfen?"


Wenn Agil dann auch mit allen Zeremonien, also Daily, Demo, Retro, Konklave und Sprintplanung.
Wo ich aus heutiger Sicht differenzieren würde, ist die Wahl der Projekte welche Agil gemacht werden sollen.
Bei uns im Unternehmen hat sich seit der Einführung von Agile nichts daran geändert dass es gewisse Bereiche gibt, die diese Methode nur dulden sich aber nicht in die Karten schauen lassen wollen, ihren Leuten kein Vertrauen schenken.
Mit diesen Unternehmensbereichen ist Agile fast unmöglich.
Ist es nicht möglich die Bereiche davon zu überzeugen mit zu arbeiten, sollte besser gestoppt und das Management informiert werden.
In diesem Fall finde ich passt deine Überschrift sehr gut, Tachon32.

Werde ich heute als Coach zu den ersten Besprechungen eingeladen welche Agil bearbeitet werden sollen und ich sehe dass schwierige Parteien im Boot sind, bitte ich immer erst um ein einheitliches Commitment seitens des Managements.
Idealerweise schriftlich, dann habe ich auch etwas in der Hand wenn es dann doch anders kommt!


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29.08.2017 17:20
#10
Co

Meinst du mit "modular" eine Art Hybrid der Agilen Methode oder von Scrum? Den Begriff habe ich bereits mehrfach gehört und auch bei uns schleicht er sich immer wieder ein.
Ich habe mal ein wenig gegoogelt und unter anderem folgenden Blog Eintrag gefunden:
https://www.se-co.de/man-ist-nicht-agil-mit-wasserfall/

Ich kann hier viele Parallelen zu uns finden und ich denke, das wird vielen Anderen auch so gehen.

Coach F.

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30.08.2017 12:04
avatar  Steffen
#11
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Hallo Zusammen!
War die letzte Zeit einmal komplett Offline und bin deshalb recht spät wieder bei der Party. Aber vielleicht kann ich noch etwas beitragen ...

Nochmal zum John Kotter etc.: Wenn zu Beginn eines Changes (und die Einführung von Scrum als Framework ist i.d.R. ein revolutionärer Change) nicht allen Beteiligten klar ist, warum eine Änderung notwendig ist, dann kann man sich die Zeit sparen anzufangen. Da ist die Unterstützung des Management auf jeden Fall gefragt. Meine Erfahrung (ich bin seit 20 Jahren Consultant, davon ca. 10 Jahre mit agilen Vorgehensweisen) hat gezeigt, dass nur Bottom-Up nicht funktioniert. Da kann ich Kay_Hachmann voll zustimmen. Wenn starke Wiederstände befürchtet werden, kann auch eine eher evolutionärer Wandel versucht werden. Hier wäre beispielsweise Kanban eventuell sinnvoll. (Aber jeder Berater sagt ja eh: "kommt darauf an")

Und wenn man in einer Organisation agil Arbeiten will, wird es in jedem Fall die gesamte Organisation betreffen. Auch dies muss das Management wissen und unterstützen. Es macht wenig Sinn, sich die Rosinen heraus zu picken (wenn man welche findet) und die vermeintlich "unbequemen" Dinge wegzulassen. Denn damit wird die Gesamtsituation in der Organisation eher schlechter. So etwas wie Scrum zum Beispiel kann nicht nur auf die IT beschränkt bleiben.

Noch kurz meine Meinung zur Einführung/Nutzung von so etwas wie Scrum: Insbesondere zu Beginn muss m.E. "Scrum by the Book" gemacht werden. Das Regelwerk, die Rollen und deren Aufgaben bauen derartig eng verzahnt aufeinander auf, das das Weglassen von wenigen Dingen das ganze Konstrukt nicht funktionieren lassen können. Scrum But ist absolut Ok, aber nur bei sehr erfahrenen Teams/Organisationen. Und das kann mehrere Monate dauern, bis es soweit ist.


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30.08.2017 15:17
avatar  Nina
#12
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Wow, schon 10 Jahre agil - das findet man sicherlich auch nicht allzu oft. Umso erfreulicher, dass du uns hier mit deinen Erfahrungen unterstützen kannst.
Deinem letzten Beitrag kann ich nur voll und ganz zustimmen, auch wenn es in meiner Situation leider reine Wunschvorstellung ist. Hast du denn eine grobe Abschätzung, wie viele mit agilen Methoden starten und es irgendwann doch wieder sein lassen?

Die Nina
Admin - DasAgileForum
Agile Coach
Projektmanagerin

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30.08.2017 16:54
avatar  Steffen
#13
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Zitat von Nina im Beitrag #12
Hast du denn eine grobe Abschätzung, wie viele mit agilen Methoden starten und es irgendwann doch wieder sein lassen?


Hmmm... nein, dazu traue ich mir keine Aussage zu. Aber das wäre mal eine interessante Recherche für verregnete Abende ... :-)

Meine Erfahrung als externer Berater war jedoch häufig: das Engagement beim Kunden wurde beendet und Scrum (dies wird ja leider meist mit Agilität gleich gesetzt) "erfolgreich" eingeführt. Wenn ich dann nach einigen Wochen/Monaten jemanden vom Kunden getroffen oder angerufen habe stellte ich fest, dass aufgrund des fehlenden Treibers (Scrum Master, Coach, ...) viele Änderungen & Verbesserungen wieder auf einen Vor-Change-Stand zurück gefallen sind.

D.h. es muss immer jemand da sein der/die ständig Energie in das System hinein steckt, damit das "Gummiband" der Veränderung nicht wieder Richtung Ausgangszustand zurück schnellt...


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31.08.2017 07:47
#14
Co

Zitat
D.h. es muss immer jemand da sein der/die ständig Energie in das System hinein steckt, damit das "Gummiband" der Veränderung nicht wieder Richtung Ausgangszustand zurück schnellt...



Stimme ich absolut zu. Dennoch schade, dass man diese Energie nicht effizienter nutzen kann. Selbst wenn man überzeugt von der Methode ist, wird man irgendwann auch müde, immerzu nur dafür kämpfen zu müssen.

Coach F.

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03.09.2017 08:13
#15
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Zitat von Coach F. im Beitrag #10
Meinst du mit "modular" eine Art Hybrid der Agilen Methode oder von Scrum?


Interessanter Link, den du da gepostet hattest. Ich gestehe, ich hatte mit "modular" einfach gemeint, die agilen Ansätze in einzelne Blöcke zu teilen, und die dann wie Module zu behandeln und manche zu benutzen, andere halt "einfach nicht".

Zitat von Coach F. im Beitrag #14

Zitat
D.h. es muss immer jemand da sein der/die ständig Energie in das System hinein steckt, damit das "Gummiband" der Veränderung nicht wieder Richtung Ausgangszustand zurück schnellt...


Stimme ich absolut zu. Dennoch schade, dass man diese Energie nicht effizienter nutzen kann. Selbst wenn man überzeugt von der Methode ist, wird man irgendwann auch müde, immerzu nur dafür kämpfen zu müssen.




Ooooh ja, hier sprechen mir 2 Leute aus der Seele, dankeschön dafür. Mir geht es oft so wie dir, Coach F.

Danke auf jeden Fall an alle für die tollen Anregungen, hatte nicht mit SO viel Resonanz gerechnet, 5x nicht mit so viel positiver :-)

Tue Gutes und rede darüber!

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